Haßfurter Tagblatt – 08.12.2012 – Sabine Meißner (sme)
Wann muss ein Kind zum Arzt, zum Therapeuten oder in eine zielgerichtete Beschäftigung? Um diese und andere Fragen für Eltern und Erzieher ging es am Donnerstag im ELTERNCAFÉ des Mehrgenerationenhauses.
Als Gast der wöchentlich donnerstags stattfindenden Veranstaltungsreihe im Rahmen des bundesweiten Praxisprojektes „Stark für Erfolg“ stand diesmal der Ergotherapeut Elmar Weinbeer Rede und Antwort. Wohl wegen winterlicher Straßenverhältnisse war die Runde kleiner als bei vorhergehenden Themen, was den Anwesenden ermöglichte, besonders viele Fragen zu stellen. Den alleinerziehenden Vater Andreas Borst aus Ebern hielt weder Wetter noch der relativ weite Weg ab, gemeinsam mit seiner 14-jährigen Tochter Anne-Cathrin ins MGH zu kommen. Er steuerte eigene Erfahrungen aus der Zeit des Heranwachsens seiner beiden Kinder bei.
Während Anne-Cathrin im Nebenraum mit ihrer ehrenamtlichen Bildungspatin, der Haßfurter Unternehmerin Birgit Gerling, Englisch übte, wies Vater Borst auf die Notwendigkeit gemeinsamer Vorgehensweisen zwischen Therapeuten und Eltern hin. „Wenn einem Kind geholfen werden soll, dann kann es schon mal erforderlich sein, einen oder gar mehrere Tage Urlaub zu opfern“, sagte er. „Wann besteht überhaupt das Erfordernis, einen Ergotherapeuten aufzusuchen“, wollten andere Teilnehmer der Runde wissen. Die Möglichkeit, im Elterncafé einen Spezialisten ohne Rezept oder Überweisung konsultieren zu können, wird geschätzt. Das zeigte sich schon bei vorhergehenden Treffen, etwa mit dem Kinderarzt oder einer Ernährungsberaterin.
„Handlungsbedarf kann zum Beispiel bestehen, wenn ein Kind Defizite in der Motorik aufweist“, erläuterte Weinbeer. Das könne sich darin äußern, dass ein Kind keine Lust habe, das Fahrradfahren zu erlernen. Man müsse dann prüfen, ob das Gleichgewichtssystem unterentwickelt ist. Konzentrationsschwierigkeiten oder hyperaktives Verhalten könnten auf mentalen Defiziten beruhen. „Aber nicht jedes Kind mit einem Defizit muss behandelt werden“, gab der Referent zu bedenken. Lediglich wenn der Mangel zu einem Problem würde, das Selbstbewusstsein so sehr leidet, dass sich beispielsweise das Kind einigelt, dann sei professionelle Hilfe angeraten. „Es gibt keine Norm, in welchem Alter das Kind dieses oder jenes beherrschen muss“, sagte der Ergotherapeut, „die Menschen sind unterschiedlich, dementsprechend sind auch Kinder verschieden in ihrer Entwicklung“. Entwickelt sich eine Eigenart zum Problem, etwa derart, dass eine falsche Haltung des Stiftes das Arbeitstempo verlangsamt und der Schüler nicht mehr mithalten kann, dann wäre besondere Aufmerksamkeit und Förderung erforderlich. „Man muss also genau hinsehen“, riet Weinbeer und forderte Eltern, Schule und im Bedarfsfall medizinisches Personal auf, gemeinsam zu handeln. Unterstützung fand der Appell, „Eltern mit ins Boot zu holen“, durch Christiane Männer, die Konrektorin der Grundschule Haßfurt. Sie wird die nächste Expertenrunde am 24. Januar bestreiten.
In der Zwischenzeit wird es am 13. und 20. Dezember um Advent und Plätzchen sowie am 10. und 17. Januar um Medienkompetenz und Freizeitangebote für Familien gehen. Dann werden sich die „Elternbegleiterinnen“ Kerstin Ankenbrand und Lilyana Zösch, die an diesem Donnerstag die Chance nutzten, ihrerseits Fragen zu stellen, wieder als Ratgeberinnen einbringen.
Das Projekt
„Stark für Erfolg – Begleitung von Kind und Familie“ ist ein bundesweites Praxisprojekt des Deutschen Roten Kreuzes. Es wird vom Bundesfamilienministerium gefördert. Erklärtes Ziel ist die Stärkung der elterlichen Kompetenz zur Begleitung der Bildungsverläufe ihrer Kinder. Die Spanne der Themen reicht von der frühen Förderung über migrationsspezifische Fragestellungen bis hin zu konkreten Bildungsentscheidungen.
Im Landkreis Haßberge beteiligt sich das MGH unter Leitung der Koordinatorinnen Gudrun Greger und Simone Geruschke sowie den ehrenamtlichen Elternbegleiterinnen Kerstin Ankenbrand und Lilyana Zösch am Projekt. Die Treffen finden jeden Donnerstag von 15 bis 18 Uhr im MGH am Marktplatz 10 statt.
Kontakt
MGH Hassfurt, Telefon: 09521–952825‑0
Mail: mghhassfurt@kvhassberge.brk.de