Mehrgenerationenhäuser als Antwort auf die Herausforderungen des demographischen Wandels
Haßfurter Tagblatt – 12.09.2014
Evang. Sonntagsblatt aus Bayern – 28.09.2014
Sabine Meißner
WÜRZBURG. Zum ersten Fachforum der unterfränkischen Mehrgenerationenhäuser (MGH) kamen Vertreter von Politik, Kirchen und Sozialverbänden sowie Verantwortliche der MGH auf Einladung von Regierungspräsident Dr. Paul Beinhofer zusammen.
„Niemand weiß, was in 20 Jahren ist“, sagte der Regierungspräsident, aber man müsse sich realistisch mit der Frage beschäftigen, wie das prognostizierte Durchschnittsalter das gesellschaftliche Leben verändern werde. „Wenn die Prognosen eintreffen“, legte er dar, „dann wird die Einwohnerzahl in Unterfranken bis zum Jahr 2032 um mehr als fünf Prozent abnehmen“. Im gleichen Zeitraum werde sich der Bevölkerungsanteil der über 60-Jährigen erhöhen und das Durchschnittsalter von derzeit 44 auf 48 Jahre ansteigen. Das „Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser“, das 2006 von der Bundesregierung ins Leben gerufen wurde und mittlerweile 450 derartige Häuser bundesweit entstehen ließ, „ist eine zeitgemäße Antwort auf die Herausforderungen des demographischen Wandels“. Wenn der Bund so ein Programm auflegt, sei das als Pilotprojekt zu verstehen, das Anstoß für neue Formen der Zusammenarbeit vor Ort geben müsse, sagte der Leiter der Landesbehörde in seiner Zusammenfassung nach vier Stunden Forum. „Die ‚Idee Mehrgenerationenhaus‘ ist noch nicht zu Ende ausgebaut“, betonte Beinhofer, „es muss weitergehen über eine längere Zeit.“
Die wichtige Arbeit aller MGH müsse mehr in die Öffentlichkeit transportiert werden. Noch immer würden viele Menschen nicht wissen, dass man im MGH zwar nicht wohnen, aber jederzeit Ansprechpartner, Angebote und Räume für vielfältige Belange und Begegnungen generationenübergreifend finden könne. Gudrun Greger, Koordinatorin des Haßfurter MGH, brachte es auf den Punkt: „Das ist unser Alleinstellungsmerkmal, dass wir an sechs Tagen in der Woche für die Menschen da sind. Unsere Häuser sind geöffnet, wir hören zu, betreuen Kinder, vermitteln Patenschaften, helfen den Menschen aus anderen Kulturen, sich in unserem Land zu integrieren, geben ihnen Freude und Gemeinsamkeit.“
Zu den Referenten gehörten neben Regierungsvertretern und Verantwortlichen der Kommunen auch Dekanin Dr. Edda Weise vom Ev.-Luth. Dekanat Würzburg sowie der Vorsitzende des Caritasverbandes für die Diözese Würzburg, Domkapitular Clemens Bieber. Die Dekanin hielt ein Plädoyer auf das Ehrenamt und die Rolle der Mehrgenerationenhäuser (MGH) bei der Lösung sozialer Aufgaben unter Einbeziehung lokaler und regionaler Politik. Dabei hätten Kirchen und Kommunen gemeinsame Aufgaben zu bewältigen.
Sie berichtete dem Plenum, dass sie als Mutter dreier Kinder persönlich wisse, welche Aufgaben für Familien zu leisten seien. „Drei Kinder, das gibt es heute gar nicht mehr oft“, meinte sie und richtete das Augenmerk auf die Folgen von Bevölkerungsrückgang bei gleichzeitiger Erhöhung des Altersdurchschnittes. „Die MGH sind wichtige Anlaufstellen“, sagte die Dekanin. Allerdings müsse die Fülle von Plänen und Beratern der vorhandenen sozialen Stellen koordiniert werden. Domkapitular Clemens Bieber erinnerte daran, dass „früher Kirche, Rathaus und Wirtshaus den Dorfmittelpunkt bildeten“. Heute käme das MGH hinzu oder nähme an einigen Orten quasi die Stelle des Wirtshauses ein. Es gehe darum, Angebote zu gestalten, die Familien entlasten und alte Menschen in die Lage versetzen, im vertrauten Umfeld zu bleiben. Der Domkapitular berichtete von Neuerungen, wie beispielsweise „auf Rädern zum Essen“ anstelle „Essen auf Rädern“.
Häufig fiel während des Forums der Begriff ‚Vernetzung‘. Die Kooperation der MGH und ihrer verschiedenen Träger sowie die Einbindung von Politik und Wirtschaft bezeichneten alle Diskussionsredner als Notwendigkeit für das Meistern der sozialen Herausforderungen. „MGH hat sich zu einer Marke entwickelt“, formulierte ein Teilnehmer.
Über die Notwendigkeit des Fortbestandes der Häuser, ihre Weiterentwicklung und Verstetigung war man sich einig. Wie die finanzielle Absicherung in der Zukunft aussehen soll, darüber werde wohl noch zu sprechen sein. Gegenwärtig herrschte erst einmal Freude über die Veranschlagung von 16 Millionen Euro im Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2015, womit die Weiterförderung aller 450 Mehrgenerationenhäuser bundesweit gesichert wurde.